Erkennen Sie das Gefängnis – und verlassen Sie es

By Robert Pap | Blog

Okt 13

Erkenne das eigene Gefängnis – und verlasse es 

Ich beschäftige mich ja schon länger mit dem Ausstieg aus der dualen Betrachtung unserer Welt. Es ist gar nicht so einfach, wie es in den unterschiedlichen Büchern dazu beschrieben wird. Die kulturelle Prägung ist dermaßen groß, dass ich mich immer wieder dabei ertappe zwischen ZWEI Dingen, Ereignissen oder Wahlmöglichkeiten wählen zu wollen.

Wir alle haben gelernt - und die wirtschaftlich Gebildeten haben es noch intensiver gelernt - wie wichtig es ist, Ziele im Leben zu haben. Wenn wir etwas erreichen wollen, dann gehen die meisten von uns so vor, damit sie die Dinge bekommen, die sie wollen. Und für die meisten von uns geht es darum, etwas zu bekommen - oder zu erreichen. Oder zu behalten. Ich meine damit nicht nur materielle Dinge. Ob Sie nun ein neues Auto haben möchten - ein ganz bestimmtes natürlich - oder endlich befördert werden wollen, ob Sie am Land leben oder mehr Grill-Abende haben wollen oder für Ihre Abteilung endlich ein neues Beleuchtungskonzept oder größeren Frieden mit Ihrem Nachbarn finden oder einen besseren Zugang zu Ihrem höheren Selbst haben oder endlich die Gedanken wie ein Mönch abschalten lernen oder mit mehr als 100 Leuten Sex haben möchten, bevor Sie 49 werden...


Alle wollen wir etwas. Und das ist das Gefängnis. 


Um etwas zu bekommen, was Sie wirklich wollen, braucht es vier Punkte, die Sie befolgen müssen (ich schreibe hier ganz bewusst "müssen"):

1) Große Klarheit und einen fokussierten Gedanken, was Sie genau wollen. Visualisieren Sie es am besten vor Ihrem inneren Auge
2) Einen zeitlich abgestimmten Plan, wie Sie dorthin kommen
3) Disziplin, viel Disziplin. Nur die, die durchhalten bekommen das, was sie wollen
4) Nicht aufgeben, immer wieder visualisieren und die kleinen Schritte in die richtige Richtung bemerken.

Das ist eine sehr effektive Art, etwas zu bekommen, was Sie wollen. Und viele Leute schreiben darüber. Viele meinen, es gibt gar keinen anderen Weg zum Glück als diesen. Und da ist es wieder, das Gefängnis. Nur wenn Sie diesen Weg einschlagen - und Sie müssen ihn genau befolgen - dann werden Sie erreichen, was Sie wollen.
Doch dieser Weg hat einen Preis. Mehrere sogar. 

Wenn Sie dieses Wollen als Gefängnis erkennen können, erst dann können Sie  es auch verlassen. Denn wie soll ich einen Raum verlassen, wenn ich gar nicht bemerke, dass ich mich in einem Raum befinde. 

Also was ist der Preis, in diesem Gefängnis des Wollens zu leben?

Glück - und immer wieder Unglück

Wie lange sind Menschen eigentlich glücklich, wenn sie ein Ziel erreicht haben? Wenn Sie schon ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel haben, dann werden Sie bemerkt haben, dass die Zeitspanne des Glücks NACH einem erreichten Ziel immer kürzer wird. Die ganz schnellen unter uns definieren bereits ein neues Ziel, bevor sie überhaupt das zuvor definierte erreicht haben. Das Wesen dieser Programmierung oder Lebenshaltung hat einen Haken - wir brauchen immer mehr davon. Schließlich geht es darum, glücklich zu sein. Wo ist der neueste Trendsport, die ultraangesagte Serie, das klimaverträgliche Automodell?

Kraftverlust

Mit dem Alter merken einige von uns, dass es ermüdend ist, immer wieder neue Ziele zu verfolgen. Durch die Digitalisierung sind die Möglichkeiten, mehrere Ziele gleichzeitig zu erreichen, gestiegen. Der Stress ebenso. Wenn wir nach dem Gesetz der Zielerreichung leben, dann bekommen wir das was wir haben wollen, doch es laugt uns aus, macht uns krank.

Unflexibel

Halten wir uns an den vorgegebenen Plan, machen die Schritte, die notwendig sind, um an unser Ziel zu kommen, ganz gleich, was uns im Weg steht, dann passiert garantiert eines in unserem Leben: wir bekommen nicht mehr mit, was sich spontan zeigt, welche Gelegenheiten auf uns warten, welche Perspektiven aufgehen, wenn wir die Betrachtungsebene wechseln.

All das geht verloren. Es ist so, wie wenn wir von A nach B fahren und so schnell wie möglich dort sein wollen. Wir kriegen nichts mit, was links und rechts von uns ist. Es entgeht uns die malerische Landstraße und das Herbstlaub, wir sehen den alten Bäckerladen an der Straße nicht und werden nie wissen, wie das selbst gebackene Brot nach einem alten Rezept schmeckt. Aber gut wenigstens sind Sie auf etwas fokussiert.

Bedürfnisse statt Ziele

Wir bekommen zwar was wir uns gewünscht haben, wenn wir nach diesem Muster vorgehen, doch werden wir nicht das bekommen, was wir brauchen. Wenn wir uns in der Literatur umsehen – und für die, die nicht mehr lesen gilt dasselbe für Filme und Serien – dann fällt ein Protagonist in männlicher oder weiblicher Rolle immer wieder auf. Es sind Menschen, die etwas unbedingt wollen und wahnsinnig viel dafür geben. Am Ende der Geschichte bekommen sie nicht das, was sie sich in ihrem Kopf eingebildet haben, sondern das was sie brauchen um glücklich zu sein.

Dieser Themenleitfaden zieht sich meist durch die ganze Story hindurch – bei Serien sogar über viele Staffeln hinweg – und am Ende ist alles anderes und die Protagonistin bekommt etwas ganz anderes als geplant.
Was lernen wir daraus? Wir könnten uns eine Menge Zeit im Leben sparen, wenn wir herausfinden was wir im Leben brauchen, statt was wir wollen. Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. 

Wenn Sie sich die Zeit nehmen und darüber nachdenken und hinein spüren, was Sie wirklich brauchen, dann kann es sein, dass Sie sich einfach nur gut fühlen möchten. Und dass das "Ziele setzen" und das "Wünsche hinterher jagen" vor allem von diesem Grundgefühl und der Sehnsucht getragen ist, sich gut zu fühlen.
Wie Sie zu so einer Erkenntnis kommen können, braucht nichts weiteres als drei Stunden Zeit bei einem Spaziergang mit mir in der Natur und den Mut, die eigenen Bedürfnisse von den eigenen Wünschen unterscheiden zu lernen. 
Also warum kürzen Sie Ihre Geschichte nicht einfach mal ab, verlassen Ihr eigenes Gefängnis und lernen wieder, was es bedeutet, wenn Sie sich so richtig gut fühlen.

Das was jetzt ist, ist gut.

Dann können Sie auch erkennen, dass die duale Welt Sie in einem Gefängnis festhält, dessen Sie sich meistens gar nicht bewusst sind. Also, raus mit Ihnen!

Ich mach das jetzt und beende dieses spannende Kapitel.
Ahhhhh, das ist gut so.

About the Author

DI Robert Pap, Mentalcoach und Raumdesigner. Gründer von Freiräumen.com mit dem Schwerpunkt Stressmanagement

  • Klaus Podirsky sagt:

    “You can’ always get what you want, … but you get what you need!”

    danke robert für diesen artikel “bedürfnisse versus ziele”.

    bedürfnisse haben in meinem lebensverständnis zwar weniger mit etwas wie “brauchen” zu tun, sondern mit “willen” – aber ich weiß, was du mit der diskrepanz vorgestellter und vorgesteckter ziele meinst.

    “… dass gut werde, was wir aus herzen gründen, was wir aus häuptern zielvoll führen wollen.” (r. steiner) (in DER reihenfolge), k.

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