Es ist genau anders rum. Was macht das Gehirn, wenn es ein Ziel erreicht?

By Robert Pap | Blog

Nov 10

Es ist genau anders rum

Meist ist unser Verhalten mit den vertrauten Erfahrungen aus der Vergangenheit verknüpft und nicht mit den unsicheren Aussichten einer möglichen Zukunft. Das ist einerseits gut, da wir dadurch Altbewährtes wiederholen, was uns wiederum Sicherheit gibt um zu überleben. Andererseits verschließen wir uns so vor bahnbrechenden Erneuerungen, die unser Leben um so vieles einfacher machen würde.

Was also, wenn die Forschung draufkommt, dass der Großteil unseres Verhaltens gesundheitsschädigend, kontraproduktiv und lebensverkürzend ist? Ich meine nicht die industriell veränderten Lebensmittel, auch nicht unsere klimaschädigende Lebensweise. Ich meine das eigene Glücksempfinden. Die Forschung sagt dazu, 

dass sie lediglich 10% des Langzeitsglücks einer Person vorhersagen kann, wenn 100% der externen sichtbaren Welt berücksichtigt wird. 


Wann waren Sie das letzte mal so richtig glücklich? Wie erfolgreich müssen Sie noch werden, um endlich glücklich zu sein?

All das, was da draußen stattfindet - das Ansehen, der Wohlstand, der bessere Job - ist für viele Menschen erstrebenswert und sie tun alles dafür, um das zu erlangen. Dafür arbeiten sie hart und meinen, irgendwann wird sich das Glück dann schon einstellen. Vielleicht am Pool in der gemieteten Villa in der Toskana bei einem Cocktail. Oder bei der Anschaffung des Traumautos.

Ich habe das alles bereits erlebt und kann sagen, dass es nur von kurzer Dauer ist. Die Intensität des Glücks wurde von Zielerreichung zu Zielerreichung mit jedem Jahr schwächer. 

War es Anfang 20 das erste eigene Auto (ein Dayhatsu Dreizylinder), was zu mehrmals wiederkehrenden und minutenlangen Glücksschreien führte, so löste das Traumauto (ein SUV von Volvo) Ende dreißig lediglich ein zufriedenes Lächeln aus.

90% des Glücks wird gar nicht durch unsere Außenwelt beeinflusst, sondern durch die Art wie unser Gehirn Gedanken, Emotionen und zwischenmenschliche Begegnungen verarbeitet. 

Ist das nicht verrückt?

Rennen wir vielleicht alle den falschen Zielen nach? Noch ein interessantes Detail aus Harvard: Unsere Intelligenz, die über den IQ gemessen wird und mit unseren Ausbildungen zusammenhängt, hat nur eine 25%ige Beteiligung am beruflichen Erfolg. Drei Viertel werden von Eigenschaften wie Optimismus, dem sozialen Umfeld und die Fähigkeit, Stress als Herausforderung und nicht als Bedrohung zu erleben, beeinflusst. 

Was aber machen Menschen, die ihren Job verloren haben, die eine Geschäftsidee in der Selbstständigkeit nicht bis zum Cashflow erfolgreich umsetzen konnten? Sie arbeiten noch härter und länger, um wieder erfolgreich zu werden und meinen dann, dass sich irgendwann das Glück, das sie einmal in früheren Jahren kurz in Händen halten konnten, wieder einstellen wird. Das vermitteln auch die meisten unserer Erziehungs- und Management-Methoden und unterstützen dieses Verhalten ganz massiv. 

Aus der Gehirnforschung ist mittlerweile bekannt, dass diese Vorgehensweise wissenschaftlich nicht zum erwünschten Ziel führt.

Es ist genau anders rum

Was macht das Gehirn, wenn es ein Ziel erreicht? Was machen Sie, wenn Sie endlich ein Ziel erreichen, das Sie sich vor Jahren gesteckt haben? Der erreichte Erfolg animiert das Gehirn dazu, die Ziellinie weiter nach oben zu verschieben um das nächstgrößere Ziel zu erreichen.  

Das macht der Vorstand eines Unternehmens mit den operativen Ergebniszahlen, wenn er sieht, dass im dritten Quartal die Zahlen gut erreicht wurden. Anstatt mit der Belegschaft den sensationellen Erfolg des vierten Quartals zu Weihnachten zu feiern, wird die Latte Im Herbst noch einmal höher gelegt. 

Haben Sie den ersten Halbmarathon  erfolgreich hinter sich, folgt der Marathon und in der Ziellinie nehmen Sie sich den Triathlon vor.  Alles gut, solange Sie wissen, was Sie da eigentlich machen. Seien Sie sich dessen bewusst, dass Sie dieses Verhalten Ihren Kindern weitergeben. Haben diese gute Noten, könnten sie noch besser sein. Haben sie später mal den ersten Job, wird es darum gehen, einen besseren zu bekommen. 

Wir haben in unserer Gesellschaft unser Glücksempfinden über den kognitiv wahrnehmbaren Horizont geschoben und spüren kaum mehr gemeinsam erlebtes Glück. Jeder kämpft für sich und jene, die es vermeintlich geschafft haben, werden beneidet und drohen zu vereinsamen. All das liegt daran, dass wir tatsächlich glauben, erfolgreicher sein zu müssen, um glücklich zu werden. 

Was also tun? 

Es geht darum, sein Gehirn in einen Zustand der Kohärenz zu bringen. Ein Zustand, der dann stattfindet, wenn unsere rational gesteckten Ziele mit dem Bauchgefühl und dem Herzen übereinstimmen. Das klingt jetzt ziemlich esoterisch und unglaubwürdig, doch genau diese Erkenntnisse sind in Harvard und anderen Forschungseinrichtungen herausgekommen. Es ist ein Grundgefühl von Optimismus, gepaart mit Dankbarkeit, welches über einen längeren Zeitraum im Alpha-Zustand trainiert wird. So werden im Gehirn und im Darm über den Vagus Nerv neue Muster erzeugt, die bei neuerlich auftretendem Stress auf eine ganz neue Weise abgetastet werden können. 

Und darum geht es. Um Ihre Fähigkeit, Ereignisse neu bewerten zu können.

Haben Sie bis jetzt Ihr Glück durch Vermeidung von Negativem geschmiedet, so wird durch die neuen Synapsen im Gehirn eine ganz neue Dimension der Lösungsfindung stattfinden. Dieser Veränderungsprozess wurde früher für unmöglich gehalten, doch die neusten Forschungen zeigen, dass durch die Neuroplastizität unseres Gehirns neues Verhalten auch im hohen Alter noch möglich ist. 

Und in dem wir uns Schritt für Schritt aus der Negativspirale lösen und uns von alten Mustern und Glaubenssätzen befreien, verändert sich unser soziales Umfeld. Neue Menschen unterstützen uns in unserem Vorhaben und geben uns Mut, weiterzumachen. Wir erkennen, dass wir unser eigener Architekt und Baumeister gleichzeitig sind und sind motiviert tagtäglich unseren Körper, unsere Gedanken und Emotionen sowie unsere Handlungen neu auszurichten, um Glück viel öfter als bisher zu erleben.

Wenn sie wissen wollen, wie sich das in Ihrem Alltag umsetzen lässt, dann begleiten Sie mich doch einmal bei einem dreistündigen Spaziergang in der Natur. Ganz gleich, wie das Wetter ist. Sie werden staunen, was das mit Ihnen macht, wenn Sie Ihre Denk- und Handlungsweise in Ihrem Leben einmal genau anders rum angehen.

About the Author

DI Robert Pap, Mentalcoach und Raumdesigner. Gründer von Freiräumen.com mit dem Schwerpunkt Stressmanagement

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