Der seltsame Effekt der Langeweile
By Robert Pap | Blog
Der seltsame Effekt der Langeweile
Sie werden sich vielleicht fragen: In Zeiten von Corona schreibt er über Langeweile? Ja genau, denn es ist das Gegenteil von dem, was sich in unseren Gehirnen gerade abspielt.
Die letzten Wochen waren geprägt von Dopamin-Kicks in unserem Gehirn. Eine Meldung folgte der nächsten und die Forenbeiträge in den Live-Tickers der Tageszeitungen überschlugen sich förmlich.
Schön langsam wiederholen sich die Pressekonferenzen und wir gewöhnen uns an die Krise. Einige haben bereits beschlossen, kaum mehr Nachrichten zu konsumieren, um sich den eigenen Dingen widmen zu können.
Wir sind es aber gewohnt, der Langeweile so gut wie es nur geht aus dem Weg zu gehen. Jetzt, wo mehr Zeit vorhanden ist, entstehen automatisch auch Verhaltensänderungen:
Ein zweiter Gang zum Kühlschrank während des Homeoffice
Zum dritten Mal am Tag die ZIB oder
noch eine vierte Serie am Abend
Unser Gehirn wählt irgendetwas, um sich ja nicht zu langweilen. Sogar Angst oder Sorge ist besser als Langeweile.
Aber was ist Langeweile eigentlich genau?
Sie werden vielleicht überrascht sein, wenn Sie jetzt lesen, dass Langeweile einfach nur ein Gedanke ist. Wenn ein Teenager sagt: "Mir ist sooo langweilig!", dann ist das ein sehr individueller Umstand, den ein anderer Teenager gar nicht so erlebt.
Für manche Menschen kreiert erst der Gedanke oder die Aussage "Mir ist langweilig" ein Gefühl von Langeweile. Anderen Menschen macht der Gedanke, dass gerade nichts los ist und die Geschäfte geschlossen sind sogar Angst.
Wie auch immer befällt uns Langeweile nicht; wir kreieren sie selbst mit unseren Gedanken. Für manche sind Pressekonferenzen langweilig, für andere ist es das Highlight des Tages, um bezüglich der Krise up to date zu sein. Langeweile ist sehr individuell.
Manchen Menschen ist langweilig, weil die Cafés alle geschlossen haben, andere haben jetzt schon ein fades Aug vor dem bevorstehenden Österreich-Urlaub und ärgern sich, weil sie nicht wegfliegen können.
Langeweile ist aber nicht das Problem an sich. Es ist die Intoleranz gegenüber der Langeweile, die sie so präsent macht.
Vor der Zeit der Smartphones und Tablets war Langeweile ein natürlicher Teil des Lebens. Wir wussten, wie wir uns selbst unterhalten und unsere Aufmerksamkeit nach innen lenken konnten.
Die Aufmerksamkeitsspanne wird jedoch immer kürzer, weil wir so viel Technologie verwenden und die Toleranzschwelle gegenüber Langeweile immer niedriger wird.
Der Griff zum Handy und schnell mal ein paar Mails oder WhatsApp-Nachrichten checken, Infos aus Instagram oder rasch die Online-Nachrichten überfliegen - wer kennt sie nicht, die Ablenkungen, nach dem unser Gehirn so gierig ist, weil es jedes Mal einen kleinen Dopamin-Schub mit sich bringt.
Langeweile ist nicht das Problem an sich, es ist der Zwang, der entsteht, keine Langeweile aufkommen zu lassen.
Es gibt sogar Vorteile von Langeweile
Langeweile ist Kreativ-Zeit, Erholung von den vielen Gedanken, eine Möglichkeit, sich selbst besser kennenlernen und persönliches Wachstum.
Wenn wir ins Narrenkastl schauen, dann haben wir kurz Zugang zu dem inneren Nichts. In diesem Zustand fällt uns was Kreatives ein, vielleicht etwas, was wir schon lange machen wollten. Stattdessen haben wir uns ständig mit dringenden Sachen abgelenkt.
Wenn wir es zulassen, unsere Gedanken wandern zu lassen, dann braucht es zuvor einen Raum des Nichts. Das aufkommende Gefühl der Langeweile ist die Ankündigung dieses Nichts. Viele von uns gehen nicht über diese Stufe hinaus, sondern lenken sich lieber wieder ab, um nicht in die Tiefe zu gelangen.
Es ist wie Wasserskifahren. Es muss schnell gehen, dann ist sicher, dass wir an der Oberfläche bleiben. Wenn das Leben verlangsamt wird, geht es meist in die Tiefe. Und einige unter uns gehen gerade unter, weil sie dort noch nie waren. Bei sich.
Langeweile ist ein Indikator dafür, dass es gleich sehr interessant werden kann. Es kann aber auch sehr unkomfortabel werden. Vor allem, wenn bedeutende Fragen aufkommen:
Was hat das alles für einen Sinn?
Wofür lohnt es sich überhaupt noch, in der Früh aufzustehen?
Worauf soll ich mich denn jetzt noch freuen?
Wir sind es nicht gewohnt, solche Gedanken zu haben, weil wir normalerweise viel zu beschäftigt sind. Aber die Sache ist die: Gedanken sind vollkommen harmlos, so lange wir nicht danach handeln. Es sind nur Sätze in unserem Gehirn.
Wir können uns von diesen Gedanken wieder abwenden und sie nur kurz beobachten. Wir können auch lernen uns und unsere Gedanken selbst zu beobachten, um draufzukommen, dass es jemanden in uns gibt, der Beobachter ist.
Kann der vielleicht auch Entscheidungen treffen?
Ist dieser Beobachter in mir vielleicht sogar so mächtig, dass er oder sie entscheiden kann, was ich denken soll, wieviele Gedanken durch meinen Kopf rasen und wie ich mich fühlen soll/kann/will?